Ich bin jetzt dreiundfünfzig Jahre alt. Unsere Kinder stehen mitten in der Ausbildung und sind aus dem Haus. Im Alltag versuche ich viel Zeit mit meiner Frau zu verbringen. Wir tanzen mittlerweile viermal pro Woche in zwei Tanzschulen. Für mich ist es eigentlich zu viel, aber ich weiß, wie glücklich es sie macht. Also mache ich weiter – nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe.
Wenn ich zurückblicke, sehe ich eine Zeit, die noch gar nicht so lange her ist. Damals habe ich jeden besucht, der mir wichtig war. Ich wollte für möglichst viele Menschen da sein. Ich war bei Baueinsätzen der Gemeinde, half ehrenamtlich beim Palettenbau mit Straftätern und suchte ständig Wege, wie ich anderen etwas Gutes tun kann.
Ich sprach offen und fröhlich über meinen Glauben an Jesus Christus. Ich wollte Mut geben, Liebe weitergeben. Die Gemeinde war für mich ein Zuhause, ein Ort, an dem ich mich gerne engagierte. Es gab sogar Phasen, in denen ich Andachten oder Wortbetrachtungen gehalten habe. Nicht, weil ich mich für etwas Besseres hielt – ich war nie Prediger. Ich liebte einfach die Menschen. Das tue ich bis heute.
Auf der Arbeit wurde erwartet, dass ich als Küchenplaner Umsatz bringe und abliefere. Auch dort gab ich alles. Doch tief in mir brodelte seit jeher die alte Angst: zu versagen, Fehler zu machen, nicht genug zu sein. Ich redete mir ein: Weiter geht’s. Mutig voran. Aber die Angst blieb ein stiller Begleiter.
Wenn ein Kollege das Unternehmen verließ – egal ob freiwillig oder unfreiwillig – traf mich das jedes Mal. Diese Momente tragen bis heute eine Schwere in sich, die ich kaum ertragen kann.
Viele Jahre funktionierte das alles. Bis vor ein paar Wochen. Da überschlagen sich die Dinge auf der Arbeit. Plötzlich verkaufte ich so viel, dass ich kaum hinterherkam. Was sonst Stärke war, wurde auf einmal zu viel. Ich verlor die innere Ruhe. Es war, als würde mein System überhitzen.
Die Folgen kamen schleichend: Ich besuchte nicht mehr alle Freunde. Ich blieb häufiger zu Hause. In der Gemeinde ließ ich Bibelstunden aus und blieb einfach im Bett liegen. Nachts fand ich keinen Schlaf mehr. Die alte Angst, zu versagen, kroch wieder hoch – stärker als gedacht.
Trost finde ich heute vor allem in Gottes Wort.
Matthäus 6:34
Darum sorgt euch nicht um den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Last hat.
1.Petrus 5:7
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
In dieser Phase schlafe ich viel. Und ich halte mich an den Gedanken fest, dass Gott den Müden neue Kraft gibt. Er löscht den glimmenden Docht nicht aus. Er richtet auf, was zu Boden geht.
Ich beginne zu verstehen, dass solche Zeiten zum Leben gehören. Zeiten, in denen alles auf den Prüfstand kommt. Zeiten, in denen man loslässt, um irgendwann wieder neu greifen zu können.
Manchmal frage ich mich, ob der himmlische Vater mich überhaupt noch liebt, wenn ich müde und erschöpft bin. Wenn ich nicht mehr kann. Und genau dann spüre ich am deutlichsten: Er trägt mich gerade jetzt. Er lässt mich nicht fallen. Er schenkt Mut, auch wenn die eigenen Kräfte kaum noch reichen.
🙏🏿 Amen.