Kurzgeschichten
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Kurzgeschichten

Die Geschichte einer Berleburger Bibel

Im Jahr 1816 und 1817 war ein sogenanntes „Missjahr“, wie es seit Menschengedenken nicht mehr gewesen ist. Dennoch hatte sich mein Vorfahre Arnold Breitenbach im Notjahr 1817 verheiratet. Er war damals 25 Jahre alt und meine Urgroßmutter Friederike war 21 Jahre alt. Nach einem Jahr ohne Sommer herrschten vielerorts Hunger und Armut. Die Menschen aßen buchstäblich Hunde, Katzen und sogar Sägemehlbrot. Schuld an dem Elend war der Vulkan Tambora im fernen Indonesien, dessen Aschewolken für einen schrecklich kalten Sommer sorgten.

Im Bergischen Land erwarb Arnold Breitenbach für sich und seine Frau ein kleines Häuschen. Es sollte 350 Taler kosten, war aber so baufällig, dass man vom Keller bis in den Himmel sehen konnte. Wenn es stark regnete, mussten sie die Betten verschieben, um eine trockene Stelle zu finden.

Die Urgroßmutter war fromm, ebenso der Urgroßvater, doch er besaß innerlich mehr Glauben als sie. Er hatte eine tiefe Herzenserfahrung gemacht und eine klare Bekehrung erlebt. In der ganzen Gegend gab es jedoch niemanden, der diese innige Beziehung zu Jesus mit ihm teilte. Bald war er überall als der „fromme Schuhmachermeister“ bekannt. Es gab zu dieser Zeit kaum christliche Erbauungsliteratur oder sonstige Hilfsmittel außer der Bibel und die las er eifrig.

Der Urgroßvater war ein tüchtiger Arbeiter. Er verdiente am Tag acht Groschen und zog mit diesem schmalen Einkommen insgesamt elf Kinder groß. Bald stellte sich ein Engpass ein: Man brauchte dringend ein weiteres Bett. Die Kinder schliefen zwischen den Eltern, das Baby in der Wiege stieß bereits mit Kopf und Füßen an, und die Mutter war schon wieder schwanger. Wenn Gott ihnen ein weiteres Kind schenken würde, musste dringend ein neues Bett her.

Bald bot sich eine günstige Gelegenheit. In den Dörfern wurde Hausrat zwangsversteigert. Dabei konnte man allerlei Mobiliar und Inventar erwerben, darunter auch Betten. „Arnold,“ sagte die Urgroßmutter, „das ist die Gelegenheit. Geh und kaufe ein Bett. Wir haben 17 Taler gespart. Das wird wohl reichen.“

Der Urgroßvater, ein eher schweigsamer Mann, hörte sich den Vorschlag an. Seine Frau hingegen war eine redselige Person, die zu erzählen wusste wie ein Wasserfall. Am Tag der Versteigerung zog der Urgroßvater seinen blauen Wams an und steckte die 17 Taler ein. Da bekannt war, dass Arnold Breitenbach weder die Wirtschaft noch den Tanzboden besuchte, sorgte sein Erscheinen auf der Versteigerung für Verwunderung.

„Seht mal, da kommt der fromme Breitenbach!“ rief einer. „Na, Meister Breitenbach, was wollt Ihr denn kaufen?“

„Ich muss ein Bett kaufen,“ entgegnete er.

Die Versteigerung begann. Es wurde getrunken, geschwatzt und gelacht. Plötzlich brachte man ein großes Buch hervor. Der Gerichtsvollzieher rief: „Das ist eine Berleburger Bibel mit vielen erklärenden Zusätzen. Wer will die Bibel kaufen?“

Aus dem Publikum hörte man Witze, verdrehte Bibelzitate und Spott. Ein Kaufmann bot 15 Groschen, denn er brauchte Einwickelpapier. Das konnte der Urgroßvater nicht zulassen und bot einen Taler. Sofort wurden die Köpfe zusammengesteckt, um den Preis hochzutreiben. Schließlich bot jemand 16 und einen halben Taler. Der Urgroßvater bot jedoch 17 Taler.

Alles verstummte. „Zum Ersten, zum Zweiten, und zum Dritten!“, rief der Gerichtsvollzieher. „Verkauft! Meister Breitenbach hat die Bibel für 17 Taler gekauft.“

Die Menge spottete: „Wollte er nicht ein Bett kaufen?“ Der Urgroßvater zahlte die 17 Taler, nahm die Bibel und ging nach Hause. Ein Bett konnte er nicht mehr kaufen.

Daheim fragte seine Frau: „Was hast du da?“

„Eine Bibel.“

„Und was ist mit dem Bett?“

„Das habe ich nicht gekauft.“

„Und warum nicht?“

„Die Bibel ist schuld.“

„Was hat die Bibel gekostet?“

Nach einer langen Pause sagte Arnold: „17 Taler.“

Die Urgroßmutter war fassungslos und ging, während der Abendsegen gelesen wurde, hinaus vor die Tür. Der Urgroßvater sagte nur: „Ich konnte es nicht ertragen, wie Gottes Wort verspottet wurde.“

Am nächsten Morgen erschien der Müllermeister aus der Nachbarschaft. Er hatte alles seiner Frau erzählt, die darauf bestanden hatte, die Breitenbachs zu unterstützen. Auf einem Karren brachte der Müllergeselle zwei Betten, frisch gestopfte Deckbetten und Kissen. Die Frau des Müllers hatte darauf bestanden, dass die Breitenbachs diese Geschenke annehmen sollten.

Am Abend lagen zwei Kinder glücklich in den neuen Betten. Der Urgroßvater las aus Psalm 37: „Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Befiehl dem Herrn deinen Weg, und er wird’s wohl machen.“

Ende!


Übersetzung: 🇨🇿 История о Библии из Берлебурга

Sprecher: Alexander Kensington
Autor: Überlieferung

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