Hiob 9 (Die Luther-Bibel 1984, 1999) 1 Hiob antwortete und sprach: 2 Ja, ich weiß sehr gut, dass es so ist und dass ein Mensch nicht Recht behalten kann gegen Gott. 3 Hat er Lust, mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten. 4 Gott ist weise und mächtig; wem ist’s je gelungen, der sich gegen ihn gestellt hat? 5 Er versetzt Berge, ehe sie es innewerden; er kehrt sie um in seinem Zorn. 6 Er bewegt die Erde von ihrem Ort, dass ihre Pfeiler zittern. 7 Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und versiegelt die Sterne. 8 Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. 9 Er macht den Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. 10 Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind. 11 Siehe, er geht an mir vorüber, ohne dass ich’s gewahr werde, und wandelt vorbei, ohne dass ich’s merke. 12 Siehe, wenn er wegrafft, wer will ihm wehren? Wer will zu ihm sagen: Was machst du? 13 Gott wehrt seinem Zorn nicht; unter ihn mussten sich beugen die Helfer Rahabs. 14 Wie sollte dann ich ihm antworten und Worte finden vor ihm? 15 Wenn ich auch Recht habe, so kann ich ihm doch nicht antworten, sondern ich müsste um mein Recht flehen. 16 Wenn ich ihn auch anrufe, dass er mir antwortet, so glaube ich nicht, dass er meine Stimme hört, 17 vielmehr greift er nach mir im Wettersturm und schlägt mir viele Wunden ohne Grund. 18 Er lässt mich nicht Atem schöpfen, sondern sättigt mich mit Bitternis. 19 Geht es um Macht und Gewalt: Er hat sie. Geht es um Recht: Wer will ihn vorladen? 20 Wäre ich gerecht, so müsste mich doch mein Mund verdammen; wäre ich unschuldig, so würde er mich doch schuldig sprechen. 21 Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben; ich verachte mein Leben. 22 Es ist eins, darum sage ich: Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. 23 Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er über die Verzweiflung der Unschuldigen. 24 Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben, und das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht er, wer anders sollte es tun? 25 Meine Tage sind schneller gewesen als ein Läufer; sie sind dahingeflohen und haben nichts Gutes erlebt. 26 Sie sind dahingefahren wie schnelle Schiffe, wie ein Adler herabstößt auf die Beute. 27 Wenn ich denke: Ich will meine Klage vergessen und mein Angesicht ändern und heiter bleiben, 28 so fürchte ich doch wieder alle meine Schmerzen, weil ich weiß, dass du mich nicht unschuldig sprechen wirst. 29 Ich soll ja doch schuldig sein! Warum mühe ich mich denn so vergeblich? 30 Wenn ich mich auch mit Schneewasser wüsche und reinigte meine Hände mit Lauge, 31 so wirst du mich doch eintauchen in die Grube, dass sich meine Kleider vor mir ekeln. 32 Denn er ist nicht ein Mensch wie ich, dem ich antworten könnte, dass wir miteinander vor Gericht gingen. 33 Dass es doch zwischen uns einen Schiedsmann gäbe, der seine Hand auf uns beide legte! 34 Dass er seine Rute von mir nehme und mich nicht mehr ängstige! 35 So wollte ich reden und mich nicht vor ihm fürchten, denn ich bin mir keiner Schuld bewusst.
Hiob 10 (Die Luther-Bibel 1984, 1999) 1 Mich ekelt mein Leben an. Ich will meiner Klage ihren Lauf lassen und reden in der Betrübnis meiner Seele 2 und zu Gott sagen: Verdamme mich nicht! Lass mich wissen, warum du mich vor Gericht ziehst. 3 Gefällt dir’s, dass du Gewalt tust und verwirfst mich, den deine Hände gemacht haben, und bringst der Gottlosen Vorhaben zu Ehren? 4 Hast du denn Menschenaugen, oder siehst du, wie ein Sterblicher sieht? 5 Oder ist deine Zeit wie eines Menschen Zeit oder deine Jahre wie eines Mannes Jahre, 6 dass du nach meiner Schuld fragst und nach meiner Sünde suchst, 7 wo du doch weißt, dass ich nicht schuldig bin und niemand da ist, der aus deiner Hand erretten kann? 8 Deine Hände haben mich gebildet und bereitet; danach hast du dich abgewandt und willst mich verderben? 9 Bedenke doch, dass du mich aus Erde gemacht hast, und lässt mich wieder zum Staub zurückkehren? 10 Hast du mich nicht wie Milch hingegossen und wie Käse gerinnen lassen? 11 Du hast mir Haut und Fleisch angezogen; mit Knochen und Sehnen hast du mich zusammengefügt; 12 Leben und Wohltat hast du an mir getan, und deine Obhut hat meinen Odem bewahrt. 13 Aber du verbargst in deinem Herzen – ich weiß, du hattest das im Sinn –, 14 dass du darauf achten wolltest, wenn ich sündigte, und mich von meiner Schuld nicht lossprechen. 15 Wäre ich schuldig, dann wehe mir! Und wäre ich schuldlos, so dürfte ich doch mein Haupt nicht erheben, gesättigt mit Schmach und getränkt mit Elend. 16 Und wenn ich es aufrichtete, so würdest du mich jagen wie ein Löwe und wiederum erschreckend an mir handeln. 17 Du würdest immer neue Zeugen gegen mich stellen und deinen Zorn auf mich noch mehren und immer neue Heerhaufen gegen mich senden. 18 Warum hast du mich aus meiner Mutter Leib kommen lassen? Ach dass ich umgekommen wäre und mich nie ein Auge gesehen hätte! 19 So wäre ich wie die, die nie gewesen sind, vom Mutterleib weg zum Grabe gebracht. 20 Ist denn mein Leben nicht kurz? So höre auf und lass ab von mir, dass ich ein wenig erquickt werde, 21 ehe denn ich hingehe – und komme nicht zurück – ins Land der Finsternis und des Dunkels, 22 ins Land, wo es stockfinster ist und dunkel ohne alle Ordnung, und wenn’s hell wird, so ist es immer noch Finsternis.