Hiob 6 (Die Luther-Bibel 1984, 1999) 1 Hiob antwortete und sprach: 2 Wenn man doch meinen Kummer wägen und mein Leiden zugleich auf die Waage legen wollte! 3 Denn nun ist es schwerer als Sand am Meer; darum sind meine Worte noch unbedacht. 4 Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muss ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet. 5 Schreit denn der Wildesel, wenn er Gras hat, oder brüllt der Stier, wenn er sein Futter hat? 6 Isst man denn Fades, ohne es zu salzen, oder hat Eiweiß Wohlgeschmack? 7 Meine Seele sträubt sich, es anzurühren; es ist, als wäre mein Brot unrein. 8 Könnte meine Bitte doch geschehen und Gott mir geben, was ich hoffe! 9 Dass mich doch Gott erschlagen wollte und seine Hand ausstreckte und mir den Lebensfaden abschnitte! 10 So hätte ich noch diesen Trost und wollte fröhlich springen – ob auch der Schmerz mich quält ohne Erbarmen –, dass ich nicht verleugnet habe die Worte des Heiligen. 11 Was ist meine Kraft, dass ich ausharren könnte; und welches Ende wartet auf mich, dass ich geduldig sein sollte? 12 Ist doch meine Kraft nicht aus Stein und mein Fleisch nicht aus Erz. 13 Hab ich denn keine Hilfe mehr, und gibt es keinen Rat mehr für mich? 14 Wer Barmherzigkeit seinem Nächsten verweigert, der gibt die Furcht vor dem Allmächtigen auf. 15 Meine Brüder trügen wie ein Bach, wie das Bett der Bäche, die versickern, 16 die erst trübe sind vom Eis, darin der Schnee sich birgt, 17 doch zur Zeit, wenn die Hitze kommt, versiegen sie; wenn es heiß wird, vergehen sie von ihrer Stätte: 18 Ihr Weg windet sich dahin und verläuft, sie gehen hin ins Nichts und verschwinden. 19 Die Karawanen von Tema blickten aus auf sie, die Karawanen von Saba hofften auf sie; 20 aber sie wurden zuschanden über ihrer Hoffnung und waren betrogen, als sie dahin kamen. 21 So seid ihr jetzt für mich geworden; weil ihr Schrecknisse seht, fürchtet ihr euch. 22 Hab ich denn gesagt: Schenkt mir etwas und bezahlt für mich von eurem Vermögen 23 und errettet mich aus der Hand des Feindes und kauft mich los von der Hand der Gewalttätigen? 24 Belehrt mich, so will ich schweigen, und worin ich geirrt habe, darin unterweist mich! 25 Wie kräftig sind doch redliche Worte! Aber euer Tadeln, was beweist das? 26 Gedenkt ihr, Worte zu rügen? Aber die Rede eines Verzweifelnden verhallt im Wind. 27 Ihr freilich könntet wohl über eine arme Waise das Los werfen und euren Nächsten verschachern. 28 Nun aber hebt doch an und seht auf mich, ob ich euch ins Angesicht lüge. 29 Kehrt doch um, damit nicht Unrecht geschehe! Kehrt um! Noch habe ich Recht darin! 30 Ist denn auf meiner Zunge Unrecht, oder sollte mein Gaumen Böses nicht merken?
Hiob 7 (Die Luther-Bibel 1984, 1999) 1 Muss nicht der Mensch immer im Dienst stehen auf Erden, und sind seine Tage nicht wie die eines Tagelöhners? 2 Wie ein Knecht sich sehnt nach dem Schatten und ein Tagelöhner auf seinen Lohn wartet, 3 so hab ich wohl ganze Monate vergeblich gearbeitet, und viele elende Nächte sind mir geworden. 4 Wenn ich mich niederlegte, sprach ich: Wann werde ich aufstehen? Bin ich aufgestanden, so wird mir’s lang bis zum Abend, und mich quälte die Unruhe bis zur Dämmerung. 5 Mein Fleisch ist um und um eine Beute des Gewürms und faulig, meine Haut ist verschrumpft und voller Eiter. 6 Meine Tage sind schneller dahingeflogen als ein Weberschiffchen und sind vergangen ohne Hoffnung. 7 Bedenke, dass mein Leben ein Hauch ist und meine Augen nicht wieder Gutes sehen werden. 8 Und kein lebendiges Auge wird mich mehr schauen; sehen deine Augen nach mir, so bin ich nicht mehr. 9 Eine Wolke vergeht und fährt dahin: so kommt nicht wieder herauf, wer zu den Toten hinunterfährt; 10 er kommt nicht zurück, und seine Stätte kennt ihn nicht mehr. 11 Darum will auch ich meinem Munde nicht wehren. Ich will reden in der Angst meines Herzens und will klagen in der Betrübnis meiner Seele. 12 Bin ich denn das Meer oder der Drache, dass du eine Wache gegen mich aufstellst? 13 Wenn ich dachte, mein Bett soll mich trösten, mein Lager soll mir meinen Jammer erleichtern, 14 so erschrecktest du mich mit Träumen und machtest mir Grauen durch Gesichte, 15 dass ich mir wünschte, erwürgt zu sein, und den Tod lieber hätte als meine Schmerzen. 16 Ich vergehe! Ich leb’ ja nicht ewig. Lass ab von mir, denn meine Tage sind nur noch ein Hauch. 17 Was ist der Mensch, dass du ihn groß achtest und dich um ihn bekümmerst? 18 Jeden Morgen suchst du ihn heim und prüfst ihn alle Stunden. 19 Warum blickst du nicht einmal von mir weg und lässt mir keinen Atemzug Ruhe? 20 Hab ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du Menschenhüter? Warum machst du mich zum Ziel deiner Anläufe, dass ich mir selbst eine Last bin? 21 Und warum vergibst du mir meine Sünde nicht oder lässt meine Schuld hingehen? Denn nun werde ich mich in die Erde legen, und wenn du mich suchst, werde ich nicht mehr da sein.