Seit einigen Jahren leben Hühner in unserem Garten, und ich habe gelernt, sie nicht nur zu beobachten, sondern auch von ihnen zu lernen. Unsere Hühner sind Lohmann-Brown-Hennen, sogenannte Industriehühner, die gezüchtet wurden, um fast jeden Tag ein Ei zu legen. Diese Hühner haben ursprünglich ein sehr eingeschränktes Leben: In Legebatterien beträgt ihre Lebenserwartung oft nur 12 bis 14 Monate. Nach ihrer Geburt durchlaufen sie einen strikten Impfplan und verbringen ihr Leben ohne Freiraum oder natürliche Bewegungsfreiheit.
Als wir unsere Hühner aus der Legebatterie holten, war es zunächst erschütternd, ihr Verhalten zu sehen. In den ersten Tagen blieben sie schüchtern und zogen sich zurück – am liebsten saßen sie im Stall und wagten sich kaum ins Freie. Doch mit der Zeit begannen sie, die Freiheit ihres neuen Zuhauses zu genießen. Es war wunderschön zu sehen, wie sie langsam ihr natürliches Verhalten zurückgewannen und wieder Hühner wurden, die picken, scharren und in der Sonne baden.
Ich habe bemerkt, dass sie nicht jeden Tag ein Ei legen. Es kommt vor, dass eine Henne auch mal eine Woche Pause macht. Die Gründe dafür können vielfältig sein – sei es die Ernährung, die Temperatur oder die allgemeine Umgebung. Und doch sind sie treu in ihrem Alltag: Ein Huhn steht früh auf, beginnt seine „Arbeit“ und geht im Laufe des Tages in den Stall, um sein Ei zu legen. Nach dieser Aufgabe scheint es fast stolz und zufrieden zu sein.
Hühner sind erstaunlich einfache, aber doch fleißige Tiere. Sie verbringen ihren Tag mit Picken, Scharren und Baden – vor allem Sandbäder sind ihnen wichtig, um Ungeziefer loszuwerden. Sie scheinen nie eine Pause zu machen, und dennoch wissen sie genau, wann es Zeit ist, sich auszuruhen. Sobald es dunkel wird, kehren sie in den Stall zurück, setzen sich oben auf die Stange und ruhen sich aus. Die Stille im Stall ist bemerkenswert, denn diese Ruhe brauchen sie, um neue Kraft zu schöpfen.
Hühner sind dabei erstaunlich anspruchslos: Sie benötigen mindestens elf Stunden Licht am Tag, Wasser, Körnerfutter, Hennenmehl und lieben eingeweichtes Brot oder Regenwürmer. Sie haben keine Namen, denn das ist für sie nicht wichtig. Was zählt, ist, dass sie ein gutes Leben führen und Eier legen dürfen, wann immer es ihnen möglich ist.
Ich bin dankbar für meine Hühner. Ihre Eier erfreuen nicht nur meine Familie, sondern auch unsere Nachbarn. Sie sagen oft, wie leuchtend gelb der Pfannkuchenteig wird – ein echtes Zeichen dafür, dass die Hühner glücklich sind.
Doch was mich besonders berührt, ist die Erkenntnis, wie viel ich von diesen Tieren lernen kann. In meinem Beruf und in meiner Verantwortung als Familienvater wird oft viel von mir erwartet. Es gibt Tage, an denen ich mich kraftlos fühle und das Gefühl habe, nicht genug leisten zu können. Doch meine Hühner erinnern mich daran, dass auch wir Menschen Pausen brauchen. Wir können nicht immer dieselbe Leistung erbringen, auch wenn dies oft unbewusst von uns erwartet wird.
Die „Zeit der Stille“, die ich bei meinen Hühnern beobachte, inspiriert mich. Sie hilft mir, innezuhalten und mein eigenes Denken und Handeln zu hinterfragen. Auch wir Menschen brauchen Zeiten der Ruhe, um neue Kraft zu schöpfen – und vielleicht auch Momente, in denen wir einfach nur stolz auf das sein dürfen, was wir bereits geschafft haben. Ich bin dankbar, dass meine Hühner mich daran erinnern.