Ich erinnere mich noch genau an diesen Sandstrand in Costa Rica – ein Ort, der sich mir für immer ins Gedächtnis eingebrannt hat. Damals, im Dezember 2018, machten mein Bruder Simon, Ruth, ihre Tochter Rebekka und ich eine Rundreise mit dem Auto. Die Sonne brannte warm auf uns herab, die Palmen wiegten sich leicht im Wind, und das türkisfarbene Wasser der Karibik glitzerte einladend vor uns. Es war ein Tag, wie er schöner kaum sein konnte.
Wir entschieden uns, eine Pause einzulegen, und steuerten einen scheinbar perfekten Sandstrand an. Mein Bruder und ich konnten es kaum erwarten, ins Wasser zu springen, während Ruth und Rebekka sich am Strand niederließen, um uns aus sicherer Entfernung zuzusehen. Die Wellen waren wild, doch wir stürzten uns voller Begeisterung ins kühle Nass.
Nach einer Weile fiel mir auf, dass ich meinen Bruder nicht mehr sehen konnte. Ich blickte mich um, suchte in den tosenden Wellen nach ihm, doch er war verschwunden. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus, und ich beschloss, zurück an den Strand zu gehen. Die Wellen wurden mir ohnehin zu heftig, und ich dachte, mein Bruder sei längst wieder an Land. Doch dort erwartete mich Ruth, die mit ernster Miene fragte: „Wo ist dein Bruder?“ Ihr Blick war auf das Meer geheftet, als suchte sie angestrengt nach etwas – oder jemandem. Auch ich konnte meinen Bruder nicht ausfindig machen.
In dem Moment, als Ruth plötzlich in Panik ausbrach und weinte, durchfuhr mich ein eiskalter Schreck. „Oh nein, wo ist dein Bruder?“ – „Ich weiß es nicht!“, stammelte ich, völlig überwältigt. Es war, als hätte sich die Realität um mich herum verdunkelt. Die unvorstellbare Erkenntnis schlich sich in mein Bewusstsein: Mein Bruder könnte ertrunken sein. Während Ruths Schreie immer verzweifelter wurden, füllte sich der Strand mit Menschen, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren. Selbst Rettungsschwimmer eilten ins Wasser, doch auch sie kehrten ohne Erfolg zurück.
In meiner Verzweiflung fiel ich auf die Knie und betete. „Bitte, Vater, gib mir meinen Bruder zurück!“ Mein Herz war schwer wie ein Stein, als ich aufs Meer hinausblickte und plötzlich einen Mann im Wasser stehen sah. „Mein Bruder! Mein Bruder!“, rief ich mit all meiner Kraft und stürzte voller Hoffnung ins Wasser. Doch als der Mann sich umdrehte, erkannte ich, dass es nicht mein Bruder war. Meine Hoffnungen zerschlugen sich wie Wellen an den Felsen, und ich kehrte weinend zurück an den Strand. Dort hielten wir uns fest umarmt, trauerten gemeinsam und versuchten das Unfassbare zu begreifen.
Doch dann, wie aus dem Nichts, stand mein Bruder plötzlich vor uns. Mit einem breiten Grinsen sagte er: „Hallo ihr Lieben, ich bin wieder da!“ Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Ruth reagierte zuerst, schlug ihm vor Schreck eine Ohrfeige, um ihn dann überglücklich in die Arme zu schließen. „Warum weint ihr denn?“, fragte mein Bruder erstaunt, und wir brachen alle in ein seltsames Lachen aus – eine Mischung aus Erleichterung und Fassungslosigkeit.
Mein Bruder erklärte uns, was geschehen war: „Hinter den Wellen war es eigentlich ganz ruhig, aber irgendwie langweilig. Also bin ich in eine Bucht geschwommen und habe mich dort ein bisschen ausgeruht. Vermutlich habt ihr mich deshalb nicht mehr gesehen.“ Für mich war es ein Wunder. Ich war überzeugt, dass mein Bruder tot war, und doch stand er nun lebendig vor mir. „Danke, Vater!“, flüsterte ich still.
Später erfuhren wir, dass das Baden an diesem Strand streng verboten ist. Unter der Wasseroberfläche lauern messerscharfe Felsen und Korallen, die schon viele Menschen schwer verletzt oder gar das Leben gekostet haben. Es ist ein wahres Wunder, dass mein Bruder nicht ernsthaft verletzt wurde. Dieser Tag bleibt für mich ein eindrückliches Zeichen dafür, dass Gott seine schützende Hand über uns hält – selbst in den wildesten Wellen des Lebens.