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Der Tag, an dem ich die Todesanzeige meiner Mutter fand

Sonntage hatten für mich immer eine besondere Bedeutung. Nach dem Gottesdienst machte ich mich regelmäßig auf den Weg nach Bremen, um meine Mutter Renate zu besuchen. Es war ein fester Bestandteil meines Lebens, dass ich gemeinsam mit meinen Kindern bei ihr zum Mittagessen eingeladen war. Meine Mutter war eine ausgezeichnete Gastgeberin, und ihre herzliche Art machte jedes Treffen besonders.

Doch es gab da ein kleines Ritual, das sich jedes Mal wiederholte: Sobald ich ihre Türschwelle betrat, überkam mich eine unbeschreibliche Müdigkeit. Es war, als würde ihre Wohnung eine magische Ruhe ausstrahlen, die mich augenblicklich entspannte. Nach dem Essen fragte ich sie dann jedes Mal, ob ich mich kurz ins Bett legen dürfe. Mit ihrer liebevollen Art deckte sie mich stets zu, und innerhalb von Minuten war ich eingeschlafen.

Nach etwa einer Stunde wachte ich erfrischt auf, während sie bereits in der Küche mit meinen Kindern Gesellschaftsspiele spielte. „Oma, du bist dran!“, hörte ich ihre freudigen Stimmen, und ich lächelte. Es war ein Geschenk, diese Momente der Verbundenheit mitzuerleben. Meine Kinder liebten ihre Oma, und ich genoss es, sie in dieser Zeit so nah beieinander zu sehen.

Manchmal besuchte ich sie auch allein. Diese Treffen hatten eine andere, tiefere Qualität. Wir sprachen viel über unseren Glauben und über Jesus Christus, teilten unsere Gedanken, Hoffnungen und Sorgen. Es war eine wertvolle Zeit, die ich nie missen wollte.

Doch eines Tages war etwas anders. Ich kam etwas früher zu ihr und bemerkte auf ihrem Schreibtisch ein Papier, das sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Es war ihre vorbereitete Todesanzeige. Der Text war bereits vollständig ausgearbeitet, nur das Datum ihres Todes fehlte noch. „Renate Poppe lebt!“ stand in dicken Buchstaben oben.

In diesem Moment durchfuhr mich ein Stich ins Herz. Die Tränen schossen mir unaufhaltsam in die Augen, und ich konnte sie nicht zurückhalten. Es war ein eigenartiges Gefühl, dieses Dokument zu lesen. Es war, als würde ich einen Einblick in eine Welt bekommen, die noch nicht greifbar war, aber doch unausweichlich auf uns zukam.

Als meine Mutter später nach Hause kam, bemerkte sie sofort meine geröteten Augen. „Hast du geweint?“, fragte sie besorgt. Ich war verlegen und murmelte schnell: „Ach, irgendwie sind da Pollen in der Luft.“ Sie lächelte nur und sagte: „Na, dann ist ja alles gut.“

Beim Mittagessen – mein Lieblingsgericht waren ihre frisch panierten Koteletts, von denen ich meistens zwei oder drei verdrückte – sprachen wir über die Anzeige. Ich fragte sie, warum sie das schon vorbereitet hatte. Mit einem schelmischen Grinsen antwortete sie: „Wenn du traurig bist, wenn ich gestorben bin, dann zieh’ ich dir die Ohren lang!“ Meine Mutter hatte es nie ertragen können, wenn wir Kinder traurig waren.

Ein paar Monate später war es dann soweit. Meine Mutter ging heim – zu dem, der ihr schon immer Halt und Trost gewesen war. Es war ein schwerer Moment, doch ich wusste tief in meinem Herzen, dass es kein Abschied für immer war. Als ich sie zum letzten Mal sah, flüsterte ich: „Mama, wir sehen uns wieder!“

Jesus Christus hat uns die wunderbare Verheißung gegeben:
Matthäus 16:28
Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.

Diese Worte tragen mich bis heute. Der Verlust meiner Mutter hat mich gelehrt, dass unser Glaube stärker ist als der Tod. Wir werden uns wiedersehen, davon bin ich überzeugt – und bis dahin trage ich die Erinnerungen an sie in meinem Herzen.

 


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