Ein Bild drängte sich mir auf: eine Schraubzwinge aus der Tischlerei. Langsam, Stück für Stück, baut sie ihren Druck auf. Ohne Eile, doch unaufhaltsam, presst sie dich zusammen, macht dich kleiner. Egal, ob du dich für A oder B entscheidest – es ist falsch, denn die Antwort war C. Immer C.
Manche zerbrechen an diesem Druck. Andere stemmen sich verzweifelt dagegen, bis ihnen die Kraft ausgeht. Du stehst zwischen zwei Wegen, eingezwängt, und fragst dich, wie lange du noch durchhalten kannst.
- Der erste Weg: Du kämpfst weiter. Versuchst, es jedem recht zu machen, gibst endlose Erklärungen ab – und bist trotzdem falsch.
- Der zweite Weg: Du flüchtest. Schlägst eine Tür zu, hinter der du hoffst, Frieden zu finden. Aber der Schmerz reist mit.
Die Last der Liebe
Als Kind habe ich erlebt, wie sich meine Eltern trennten. Es war ein Rätsel für mich, warum Menschen, die sich einst liebten, plötzlich nicht mehr zueinander fanden. Der Druck in unserem Zuhause war spürbar: wenig Geld, vier Kinder, und ein Vater, der immer arbeitete oder zu erschöpft war, um präsent zu sein. Meine Mutter trug die Verantwortung allein, bis sie sie nicht mehr tragen konnte. Sie ging.
Damals lief ein Lied im Radio: „Ich will hier raus! Weg! Fort!“ Es war, als spräche es aus, was sie fühlte. Doch ich verstand es erst später, als ich selbst lernte, was es heißt, von Druck erdrückt zu werden.
Wenn Flucht keine Lösung ist
Ich habe oft von einem Neuanfang geträumt. Einfach die Koffer packen, wie in „Ich war noch niemals in New York“. Autostopp, weg von allem. Doch was ich nicht wusste: Der Druck lässt sich nicht hinter dir zurücklassen. Er ist wie ein Schatten, der dich einholt.
Es gibt einen anderen Weg, einen schwereren: Den anderen lieben. Ihn verstehen. Ihn tragen, selbst wenn es dich an die Grenze bringt. Es erfordert eine Kraft, die über das Menschliche hinausgeht.
Vergebung als Schlüssel
Als meine Mutter im Sterben lag, stellte ich ihr eine Frage, die mich seit Jahren beschäftigte: „Warum hast du Papa nicht einfach angerufen und gesagt, dass du Hühnerfrikassee für ihn gekocht hast?“ Sie lachte bitter und sagte: „Bist du verrückt? Nach allem, was er mir angetan hat?“
Doch dann sah ich, wie sie zu meinem Vater blickte, der an ihrer Bettkante saß. Sie sagte leise: „Ich habe dir vergeben. Und du mir.“ Sie nannte ihn wieder bei seinem Spitznamen. Und plötzlich war da Frieden.
Zwei Wochen später ging sie. Doch in ihrem letzten Moment hinterließ sie mir eine Lektion, die ich nie vergessen werde: Vergebung hat die Macht, die Schraubzwinge zu lösen.
Die Kunst des Aushaltens
Liebe ist nicht einfach. Sie ist kein sanftes Gefühl, das uns mühelos trägt. Sie ist eine Entscheidung. Eine Kunst, die Geduld und Hingabe verlangt. Den anderen zu tragen, wenn er fällt. Ihm zu vergeben, auch wenn es schwerfällt. Liebe ist ein täglicher Akt des Mutes.
Doch woher nehmen wir die Kraft? Niemand kann diese Last allein tragen. Für mich liegt die Antwort in meinem Glauben. Jesus Christus hat mir gesagt: „Meine Kraft ist in deiner Schwachheit mächtig.“
Er hat den größten Druck getragen – Spott, Ablehnung, Schmerz. Und dennoch hat er geliebt. Bedingungslos.
Du bist nicht falsch.
Denn du liebst. Und diese Liebe, selbst unter größtem Druck, ist niemals vergebens.